Sonntag, 5. Juni 2011


Meine Freundin und ich machten eine kleine Fahrt übers Land nach Brünn, mein Geburtstagsgeschenk vom Jahr 2010. Herrliches Wetter, offenes Cabrio, wehende Haare. Ich brauch nicht viel für mein Glück. Am Hinweg hatte ich noch die Idee im Alten Schulhaus bei Buchinger und Eva Rossman einzukehren und uns so schon bei der Hinfahrt kulinarisch zu verwöhnen. Die Stadt Brünn hat mich begeistert, breite Straßen und Plätze, schöne alte k.u.k. Häuser dazwischen funktionalistische Bauten. Der Hauptgrund warum ich eigentlich immer nach Brünn wollte, war zwar  nicht erfüllbar, denn die Villa Tugendhat wird noch immer renoviert, aber beim nächsten Mal klappt es bestimmt.
In der Touristeninfo war man mit uns etwas überfordert, aber wir fanden einen Flyer, der ein Slow Food Festival für dieses Wochenende versprach. Als Slow Food Mitglied freut einen so etwas natürlich immer. Paradoxerweise wurden just an diesem Tag keine tschechischen Spezialitäten, sondern ein österreichisches Degustationsmenü mit Weinbegleitung kredenzt. Das Lokal namens Hansen befindet sich im Haus der Philharmonie, sehr schön im klassizistischen Stil, nach dem Architekten benannt, mit modernen Bildern. Es war fünf Uhr und wir wollten für den Abend einen Tisch reservieren. Tja, Pech gehabt, leider alles voll, meinte die Kellnerin, nur mehr ein Tisch im Garten und kein Degustationsmenü. Wir wollten es nicht wahrhaben, diskutierten, verharrten, beratschlagten, trotzten, aber es half nichts. Wir beschlossen uns den Garten zumindest einmal anzusehen und dann zu entscheiden. Der Garten war eine Terrasse und hatte sehr angenehmes Ambiente, aber mit einem Degustationsmenü mit Weinbegleitung konnte er es nicht aufnehmen. Es saßen einige Leute bei einem After-Work-Drink und ein Tisch war mit ernsthaft dreinschauenden und diskutierenden Männern besetzt, die miteinander eine Mischung aus Englisch, Deutsch und Tschechisch sprachen. Wir sahen uns an und meine Freundin meinte, dass dort bestimmt die Vorbereitungen für den Event getroffen würden und unsere letzte Chance auf einen Platz durch Intervention bei den Protagonisten des Abends bestünde. Gesagt, getan: ich sprach die Herren, die sich als Weinbauern, Weinhändler, Dolmetscher und Geschäftsführer herausstellten, an, brachte unser Anliegen vor und  dank des sehr bemühten jungen Geschäftsführers Fady Al-Kheir, einem Tschechen mit syrischem Vater, bekamen wir tatsächlich noch zwei Plätze für den Abend. Meine Freude war riesig und schon die Vorbesprechung im Garten war sehr informativ und interessant. Wir saßen an einem Tisch mit den österreichischen Weinbauern Hans Czerny aus Fels am Wagram und Matthias Hager aus Mollands im Kamptal, ihrem tschechischen Bioweinhändler Bogdan Trojak und dem Dolmetscher Zdeněk Vrbík. Ziel war es den Dolmetscher für den Abend zu briefen: ein nicht ganz einfaches Unterfangen, weil beide Weinbauern auf biologisch dynamischen Weinbau (Demeter) nach Steiner spezialisiert sind und die diesbezüglichen Erklärungen schon auf deutsch terminologische Schwierigkeiten machen.
Beim Degustationsmenü gab es dann u.a. alte Getreidesorten zu essen, wie die Waldstaude (hab ich selber noch nie gehört) und das bekanntere Einkorn, eine alte Weizensorte aus dem Waldviertel. Der Abend im Hansen war hervorragend, spannende Gespräche mit den zwei Weinphilosophen und dem Übersetzer und Posaunisten Zdeněk Vrbík, gutes Essen von Radim Prohazka und sensationelle Weine. Weil ich ein praktischer Mensch bin, hätte ich gerne gleich am selben Abend ein paar Flaschen mitgenommen, aber leider war das nicht möglich. 
Und am nächsten Morgen: Ein Prost auf den biologisch dynamischen Weinbau! Ich war ab 7 Uhr früh fit wie ein Turnschuh, senile Bettflucht nennt man das wahrscheinlich. Keine Kopfschmerzen nach 10 verschiedenen Weinen schaff ich normalerweise nie.
Auf der Suche nach gutem Kaffee wollten wir ins Café Zeman, ein interessantes funktionalistisches Gebäude im Park an der Straße Na Kolišti. Aber wir waren zu früh dran. Also bekam ich eine private Stadtführung, unterstützt von der sehr brauchbaren deutschsprachigen Broschüre aus der Touristeninfo. Das war sehr komfortabel für mich: alle Details wurden mir vorgelesen und ein geschichtlicher Abriss erzählt. Meine Freundin hat vor 10 Jahren für drei Monate in Brünn gewohnt und wir gingen zu den Plätzen, die sie von damals kannte und schauten uns auch die Veränderungen der letzten Jahre an. Der Krautmarkt mit den Gemüsen, Früchten, Blumen und Käsen der Region ist eine Augenweide - ich liebe das Treiben auf den Märkten.
Da es mittlerweile nun wirklich Zeit für einen guten starken Espresso war, hielten wir unsere Augen offen und entdeckten ein sehr sehr gut besuchtes Straßencafe: das Café Tungsram, gleich beim Aufgang zum Mährischen Landesmuseum in der Nähe des Krautmarkts. Ein kleines trendiges Café, das in jeder Metropole der Welt stehen könnte, mit einer alten Jukebox und Gewölbedecke - ein feiner, kleiner Stop vorm Anstieg zur Kirche St. Peter und Paul und der Burg Spielberg.
Den witzigen Abschluss unseres Brünnbesuchs bildete die Fotoausstellung Rudolf Štursa im Dům umění, wo auch Installationen anderer Künstler zu sehen waren. Wir beteiligten uns gleich interaktiv:


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